Kirche außen Altar

Altar Orgel

Zur Baugeschichte der Kirche

Jessen 1621
alte Kirche

Der Altar – Kunst im Dienste evang. Verkündigung

1697 von ortsansässigen Groß Quenstedtern aus Kiefer und Linde geschnitzt
- typisch protestantischer Kanzelaltar des Barock, Einheit von Wort (Kanzel) und Sakrament (Altar), ursprünglich stand auch die Taufe vor dem Altar, gehalten von zwei Engeln
- links von der Kanzel: Mose mit den Gesetzestafeln, rechts davon: Johannes der Täufer mit Kreuzstab in der Hand und darauf zeigend, Figuren weisen auf die Einheit von Gesetz und Evangelium, von Neuem und Altem Testament hin, Bibel ist Grundlage
- Figur in Mitte des Kanzelkorbes: segnender Christus mit Weltkugel in der Hand, salvator mundi (Erlöser der Welt), rechts und links von ihm auserwählte Jünger: links von Christus: Andreas mit Kreuz und Jakobus der Jüngere mit Keule; rechts von Christus: Jakobus der Ältere mit Muschel am Hut und Johannes; Prediger soll in der Kanzel wie die Jünger Zeugnis (Martyrium) von Christus geben, Mitte der Predigt ist Christus, „was Christum treibet“ (M. Luther)
- oberes Drittel des Altares: vier große Figuren, stehen für das rechte und lautere Evangelium: über der großen Mosefigur: Petrus mit Kreuz und Schlüssel und Jakobus mit Buch; über Johannes dem Täufer: Martin Luther mit Bibel und Talar und Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, mit Buch
- Krönung des Altares: zwischen zwei Engeln der segnende, auferstandene, triumphierende Christus mit der Siegesfahne, Christus ist auferstanden von den Toten, einzig der Glaube an Jesus Christus macht uns selig

Geschichtes des Altares in Jessen

1696/97 erhalten Kühne und Meutefind im Zuge des Neubaus der St. Petri Kirche in Groß Quenstedt den Auftrag, das Gotteshaus mit dem neuen Altar zu versehen. Der ganze Bau der Kirche kostete 687 Taler. Mit einem prächtigen Kanzelaltar ging die Kirchengemeinde hoffnungsvoll in das folgende 18. Jahrhundert. Nach 250 Jahren jedoch zerfällt mehr und mehr die Kirche. Auch an den Schnitzereien nagt der Zahn der Zeit. Der Verfall der St. Petri Kirche in Groß Quenstedt war nicht mehr aufzuhalten. Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts rutschten Balken aus dem Dach- und Gesimswerk der Kirche. Der Einsturz ganzer Deckenabschnitte war zu befürchten. Am Außenmauerwerk fielen meterweise die Mauerkanten weg. Dachziegel hielten nicht mehr und gefährdeten die Umgebung. 1978  beschloss  man, das in der Kirche sich befindliche Kunstgut zu sichern. Kurz darauf lagerten es kompetente Mitarbeiter in Magdeburg ein. 
In Jessen wurde ab 1979 mit einer umfangreichen Reparatur und Neugestaltung der Nikolai Kirche begonnen. Im August 1982 wird im Protokollbuch unserer Kirchengemeinde erstmals der Altar von Groß Quenstedt erwähnt. Fotos wurden dem damaligen GKR gezeigt. Dem Vorschlag, das barocke Kunstgut der St. Petri Kirche in der Jessener Kirche zu verwenden, wurde "dankbar zugestimmt". 1983 fasste der Gemeindekirchenrat den Beschluss, "die Ausstattung der Kirche von Quenstedt nach Fertigstellung in der Jessener Kirche aufzustellen." Der damalige Bauingenieur des Kirchlichen Bauamts, Herr Snigula, Superintendent Bahr und Pfr. Herfurth waren die geistigen Väter für die Rettung des Altares.
1983 stimmt das damalige Institut für Denkmalpflege in Halle der Umsetzung des Altares von Groß Quenstedt nach Jessen zu, "um wertvolles Kunstgut zu sichern, zu erhalten und es wieder der Öffentlichkeit zugänglich und erlebbar zu machen." Alle Kraft setzt nun die Kirchengemeinde und der neue Superintendent Michael Sommer für die umfangreichen Instandsetzungsarbeiten in und an St. Nikolai ein. Schon Ostermontag 1984 kann ein erster "Baustellengottesdienst" gefeiert werden. Während Jessen aufbaut, wird die St. Petri Kirche in Groß Quenstedt bis auf den Turm abgetragen. 1986 erhält Sup. Sommer die kirchenaufsichtliche Genehmigung für den Aufbau der Ausstattung aus Groß Quenstedt. Wenige Zeit später wird das in Magdeburg eingelagerte Kunstgut überführt und mit den Tischler-arbeiten und dem Neubau der tragenden Teile des Kanzelaltares begonnen. Im Zuge der umfangreichen und aufwendigen Restaurierung werden verloren gegangene Stücke, wie die den Altar bekrönende Christusfigur, nachgeschnitzt und das Altarbild neu gemalt. Ostermontag 1994 wird ein Oster-Dank-Gottesdienst zur Fertigstellung der Kirche mit Altar und Orgel gefeiert. Ende.

150 Jahre Ludwig Hosch


Im  Jahr 2009 gedenkt die Kirchengemeinde Jessen des 150. Geburtstages von Oberpfarrer Ludwig Hosch. Auf einem Bild, welches sich im Pfarramt befindet, ist der Gemeindekirchenrat aus dem Jahre 1910 abgebildet. In der unteren Reihe sitzen (v.l.n.r.): Schuhmachermeister August Polster, Pfr. Richard Raabe, Lehrer Hermann Tillich, Oberpfr. Ludwig Hosch, Tischlermeister und Rendant der Kirchengemeinde Reinhold Hasse. In der oberen Reihe stehen (v.l.n.r.): Kürschnermeister Wilhelm Lenkersdorf, Sattlermeister Richard Haberland, Buchdruckereibesitzer Moritz Biehl, Schuhmachermeister Ernst Golm. Neben Ludwig Hosch haben auch Reinhold Hasse und Moritz Biehl in diesem Jahr 150. Geburtstagsjubiläum.

„Er war wie ein Vater“
Zum 150. Geburtstag von Oberpfarrer Ludwig Hosch, von Pfr. Tobias Bernhardt (Jessen)


Ludwig Hosch im 50. Lebensjahr

Als ich im Jahre 2003 nach Jessen kam, hörte ich noch während meines Einzuges in das Pfarrhaus von der „Hoschehrung auf dem Friedhof“. Wer war nun dieser Oberpfarrer Ludwig Hosch, an den auch heute noch gedacht wird? Bei einem Besuch einer weit über 90 Jahre alten Dame in Jessen traf ich auf eine Zeitzeugin, die diesen Mann noch persönlich gekannt hat. Als ich sie fragte, was Hosch für ein Mensch war, antwortete sie kurz und knapp: „Er war wie ein Vater.“
Ludwig Hosch begegnet mir als Pfarrer in Jessen immer wieder, mindestens einmal im Jahr, zur „Hoschehrung auf dem Friedhof“. Anlässlich des 150. Geburtstages ist es eine gute Zeit, einmal auf das Leben dieses Pfarrers zu blicken, der den Menschen wie ein Vater war. Diesmal soll es eine „Hoschehrung“ in der Festschrift sein.
Am 20. November 1859 wurde Ludwig Hosch in Schneidlingen geboren. Sehr früh verlor er seinen Vater. Seine Mutter brachte ihn in die Waisenanstalt der Franckeschen Stiftungen in Halle. Warum sie das tat, ist nicht überliefert. Als sie dann nach Thüringen zog, nahm sie ihren Sohn wieder zu sich. In Langensalza ging er zur Schule. Anschließend besuchte Ludwig Hosch das Gymnasium in Mühlhausen und machte dort Abitur. Sein Weg führte dann nach Halle. Dort studierte er Theologie (Ostern 1880 bis Ostern 1883) und entdeckte auch sein Talent zur Musik, besonders seine Gabe für den Gesang. Nach Abschluss des theologischen Examens ging er für zwei Jahre in das Wittenberger Predigerseminar, was ihn für die Zukunft in seinem Bekenntnis prägen sollte. Wittenberg und die Nähe zum Reformator Martin Luther faszinierten ihn. Während der Seminaristenzeit lernte er seine Ehefrau Marie-Luise kennen, mit der er dann 43 Jahre Freud und Leid seines Lebens teilte. Am 15. November 1886 wurde Ludwig Hosch zum Pfarramt ordiniert. Nach kurzer anschließender Hilfspredigerzeit in Herzberg trat er im Januar 1887 sein Amt als Pfarrer in Schönewalde an. Einen Monat später, am 15. Februar 1887, heiratet er seine Frau Marie-Luise. Eine sehr glückliche Zeit müssen er und seine Frau in Schönewalde verbracht haben. In einer Laudatio zu Hoschs 25. Amtsjubiläum beschreiben die Kirchenältesten aus Jessen diese Zeit „wie ein Stück aus dem Paradiesleben“.
1895 bewarb sich Ludwig Hosch um die Oberpfarrstelle in Jessen, welche ihm Ende Dezember des gleichen Jahres noch übertragen wurde. Im Februar 1896 hielt er seine erste Predigt in Jessen. Am 29. April 1896 wurde Hosch in einem Festgottesdienst in der frisch renovierten Nikolai Kirche feierlich in sein Amt eingeführt. Vertreter der Kirche, der Stadt und der königliche Landrat waren zugegen. Pfarrer Hosch hielt eine Predigt über eine Textstelle aus dem 1. Brief des Paulus an Timotheus: „Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist. Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin.“ (1.Tim. 1,14-15)
Von Anfang an war Oberpfarrer Hosch ein bodenständiger und sehr volkstümlicher Pfarrer. Er wählte wie der Prediger Martin Luther eine einfache und verständliche Sprache, stets herzenswarm in seinem seelsorgerlichen Anspruch und volksnah in der Verkündigung des Wortes Gottes. In einem Brief aus dem Jahre 1898 nach dem Schul- und Heimatfest schreibt ein Leser an die Jessner Zeitung: „Allen den Herren, welche sich um das Zustandekommen des hier allgemein beliebten Kinderfestes bemüht haben, fühle ich mich als Jessner Kind gedrungen, dafür hierdurch meine herzliche Freude auszudrücken; und vornehmlich Herrn Oberpfarrer Hosch für die von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Worte beim Einzuge auf dem Marktplatz (Sonntag Abend) im Namen der Jessner Kinder aus der Ferne besten Dank zu sagen. Jedem schlug das Herz dabei wohl höher in süßer Erinnerung, so auch mir.“ Am 20. August 1904 wird erstmals eine „herzerquickende Rede des Herrn Oberpfarrer Hosch“ gänzlich in der Jessner Zeitung abgedruckt. Auch heute noch würde diese Rede alten Jessnern vor Rührung Tränen in die Augen treiben. In regelmäßigen Abständen wurden dann seine Schulfestpredigten in der Zeitung veröffentlicht.
Die Jahre 1904 und 1905 waren schwere Jahre für die Familie Hosch. 1904 wird ihnen ein Kind tot geboren. 1905 müssen sie ihr einziges ihnen noch gebliebenes Kind Gerhard zu Grabe tragen. Mit nur 13 Jahren ist er als Gymnasiast in Wittenberg gestorben. In Jessen wurde er begraben. Sein Grab befindet sich auch heute noch auf dem Jessner Friedhof neben dem seines Vaters. Sicher war es kein Zufall, dass im gleichen Jahr von einer Spenderin aus Dessau ein imposantes Monumentalbild von der Auferstehung Christi in Auftrag gegeben wurde. In Gedenken an ihre mit 10 Jahren verstorbene Tochter stiftete die Familie dieses Bild. Es sollte ein Trost- und Andachtsbild für viele Eltern werden, die wegen großer Epedemien zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre geliebten Kinder verloren hatten und noch verlieren sollten. Oberpfarrer Ludwig Hosch und der Gemeindekirchenrat unterstützten dieses Vorhaben sehr und fassten am 10. Juni 1906 den entsprechenden Beschluss eines Altarneubaus. Am Ostersonntag 1906 wird das Bild der Gemeinde im Gottesdienst übergeben. Mitte Oktober 1906 war der komplette Altar fertig aufgestellt. Die Tischlerarbeiten wurden in der Werkstatt Reinhold Hasses aus Jessen ausgeführt. Über Reinold Hasse, der auch in diesem Jahr sein 150. Geburtstagsjubiläum begeht, hat Ludwig Hosch 1901 geschrieben: „Reinhold Hasse ist ein feiner, tüchtiger Kopf mit gutem Verständnis für die kirchlichen und sittlichen Fragen, die beste Kraft der kirchlichen und städtischen Körperschaften.“ Fast 50 Jahre prägte und schmückte dann das beeindruckende Osterbild eines Berliner Künstlers den kirchlichen Raum.
Nach dem Tod seiner Kinder widmete sich Ludwig Hosch intensiv der sogenannten „Jugendpflege“, die man heute Jugendarbeit nennen würde. Unter Mühen schaffte dazu Hosch ein entsprechendes Gebäude mit Gartengrundstück an. Im Oktober 1912 erwarb die Kirchengemeinde das Haus in der Wittenberger Str. 37. Die unteren Räume dienten seitdem "den Zwecken der kirchlichen Jugendpflege" als "Jugendheim". Im Obergeschoss zogen Mieter ein, um die laufenden Kosten des Hauses zu decken. Weiterhin kümmerte sich Hosch um den sozialen Wohnungsbau in Jessen nach dem 1. Weltkrieg. Hosch zu Ehren wurde damals die von der Kirchengemeinde errichtete Straße nach ihm benannt.
Ludwig Hosch war ein konservativer Mann. Er stand treu zum Kaiser. Bis zum Ende des Kaiserreiches wurden ehrwürdige Festgottesdienste zu Kaisers Geburtstag in der Nikolai Kirche gefeiert. Jahrzehnte wirkte Hosch im Schulvorstand mit, war aktiv in der Kriegsfürsorge- und der Gottesackerkommission. Ludwig Hosch war der geistige Vater des Ehrenfriedhofes in Jessen für die gefallenen Soldaten des 1. Weltkrieges. An der Gründung verschiedener evangelischer Vereine war Ludwig Hosch maßgeblich beteiligt. Selbst war er in den unterschiedlichsten Vereinen Mitglied oder im Vorstand. Unter anderem war er 14 Jahre Vorsitzender des Pfarrervereines, Ehrenvorsitzender des Schachvereines in Jessen und Ehrenmitglied im Landwehrverein.
Eine neue Gestaltung der Gottesdienste lag Hosch am Herzen. Schon 1909 mühte sich Hosch um die liturgische Neugestaltung der Gottesdienste in der Advents- und Passionszeit. Ebenso belebte Hosch aus Liebe und Treue zu seinem Reformator die Feier des Reformationsfestes. Mit viel Enthusiasmus rückte er damit den Menschen wieder Martin Luther und die Reformation ins Bewusstsein. Hoschs Predigten dauerten in der Regel 30 bis 35 Minuten. Den Sonntagsgottesdienst besuchten durchschnittlich 200 bis 350 Gläubige. An Festtagen waren es 500 und mehr.
Am 7. April 1919 berief man Oberpfarrer Hosch in das Amt des Propstes und des Superintendenten nach Schlieben. Ihm zu Ehren wurde in Jessen eine große Abschiedsfeier gegeben. Vertreter der Kirche, der Stadt und vieler Vereine nahmen schweren Herzens Abschied von ihm. Es war aber nur ein Abschied auf Zeit. Am 19. August 1928 kam Hosch als Superintendent nach Jessen zurück und organisierte den Aufbau des neu gegründeten Kirchenkreises Jessen. 53 Ortschaften sollten zu dem neuen Verbund gehören. Nach 90- jähriger Unterbrechung war Jessen wieder Sitz einer Superintendentur. Am 1. April 1930 ging Ludwig Hosch in den verdienten Ruhestand. Zwei Monate später erlitt er am Abend des 5. Juni 1930 einen Schlaganfall, an dem er am Morgen des 7. Juni verstorben ist. Unter großer Anteilnahme nahm man von ihm Abschied. Am Menschen Hosch schätzte ein Zeitgenosse seine „warme, humorvolle und immer gehaltvolle Art“, aber auch seinen „klaren Blick für die Wirklichkeiten, seinen energischen Willen, seine reichen Kenntnisse und seine packende Beredsamkeit ... Und damit verband er die feine, konziliante Art, mit der er Gegensätze auszugleichen verstand, einen köstlichen, oft sprudelnden Humor, mit der er die Verhandlungen würzte und, was den Theologen nach Luthers Ausspruch erst zum Theologen machte, das warme, für andere immer offene Herz, das er mit den Weinenden weinen und mit den Fröhlichen fröhlich sein konnte, daß er, der sonnige Mensch, anderen Sonne bringen konnte.“ In einem Nachruf zu Ludwig Hosch heißt es: „Da holte ihn der Herrgott am 7. Juni heim in die ewige Heimat, aus der es kein Scheiden mehr gibt, zu der Ruhe, die vorhanden ist im Volke Gottes. Viele trauern um ihn ... Nun ruht er neben seinem einzigen Kinde auf dem Jessener Friedhof, … ruht dem großen Auferstehungstag entgegen.“ Ein Pfarrkollege schreibt über ihn: „Er war nie ein Vorgesetzter, immer nur ein Bruder im Herrn und hat mit seiner reichen Amtserfahrung vielen Amtsbrüdern hilfreich mit Rat und Tat zur Seite gestanden.“ Generalsuperintendent Schöttler aus Magdeburg hielt die Trauerrede über Römer 1,16: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben.“ Nach der Trauerfeier in der Kirche wurde er unter großer Anteilnahme auf dem Jessner Friedhof beigesetzt. Auf dem Grabstein von Ludwig Hosch (siehe Bild) wird ein Wort aus der Bergpredigt erwähnt: „Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen…Selig sind die  Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5,7.9)

Unvergessen ist bis heute das Heimatlied von Ludwig Hosch. Wann und wo das Heimatlied entstanden ist, darin gehen die Zeugnisse auseinander. Einer der vielen schönen Überlieferungen nach soll Ludwig Hosch beim Glas Jessener Wein am Bergeshang mit Blick auf Jessen gesessen haben. Und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, küsste ihn die Muse. Er nahm also seinen Stift und ein Blatt Papier, summte die Melodie zu „O alte Burschenherrlichkeit“ und dichtete in einem Zuge das Heimatlied der Jessner.
Sicher steht auf jeden Fall fest, wann dieses Lied zum ersten Mal gesungen wurde. Es war der dritte Schulfesttag, der 12. August 1913, zur Feier des 75-jährigen Bestehens des Schulfestes in Jessen. So heißt es in der Jessner Zeitung: „Mittlerweile war es 6 Uhr (abends) geworden und die meisten der Teilnehmer sammelten sich zum gemeinsamen Gesange des „Liedes der alten Jessner“, das unser Herr Oberpfarrer verfaßt und dem Verlage unseres Blattes freundlich als Eigentum überlassen hatte. Das Lied, dessen Text so warm vom Herzen zum Herzen spricht, hatte am Nachmittage erst die Presse verlassen und war schnell noch auf de Platze verbreitet worden und nun sang die große Versammlung unter Musikbegleitung die Verse:

Am Fuße sanfter Berge liegt
Gleich einem schmucken Mädchen,
Dem Elsterflusse angeschmiegt
Mein trautes Heimatstädtchen.
Sein Name, wen´gen nur bekannt:
Ist tief mir in das Herz gebrannt:
Du bleibst mir unvergessen,
Mein altes, liebes Jessen.

Man schaut vom Berge weit hinein
In unser frohes Sachsen.
Da sitzt sich´s gut beim Glase Wein,
Am Bergeshang gewachsen.
Da wird das Alter wieder jung,
Die Jugend trinkt Begeisterung:
Du bleibst mir unvergessen,
Mein altes, liebes Jessen.

Da liegt die Stadt am Elsterlauf
Gar freundlich uns zu Füßen.
Die roten Dächer sehn herauf,
Als wollten sie uns grüßen;
Da rauscht im Baum der alte Reim:
Daheim, daheim ist doch daheim!
Du bleibst mir unvergessen,
Mein altes, liebes Jessen.

Und Kirch´ und Schule schaun hinaus
Dahinter Markt und Gassen.
Da steht mein liebes Elternhaus,
Ich kann es kaum noch fassen:
O Kinderzeit voll Lust und Glück,
Wie liegst du nun so weit zurück!
Du bleibst mir unvergessen,
Mein altes, liebes Jessen. 

Und kommt alljährlich im August
Der zweite Sonntag ´gangen,
Ergreift die Jessener unbewusst
Ein Sehnen und Verlangen
Zur Heimatstadt, zum alten Nest,
Zum frohen, sel´gen Kinderfest.
Du bleibst mir unvergessen,
Mein altes, liebes Jessen.“

Zum Schul- und Heimatfest 2009 wird neben einer Ausstellung der Ludwig-Hosch-Gedenkleuchter im Gottesdienst in den Dienst genommen. Werner Thiele fertigte ihn aus Lindenholz. Neben dem großen Osterbild auf der Empore, welches wir Schulfest 2006 feierlich enthüllten, wird der Leuchter dann seinen Platz finden.


Briefschluss von Ludwig Hosch


Werner Thiele und der Gedenkleuchter

100 Jahre Osterbild

Osterbild

1905 wurde dieses monumentale Bild (drei mal drei Meter groß) von der Auferstehung Jesu vom jungen aufstrebenden Künstler Artur Dänewald aus Friedenau bei Berlin gemalt. Der Künstler malte im neuzeitlichen Geschmack der Romantik des 19. Jahrhunderts und Zügen des Historismus.

Eine Familie aus Dessau stiftete der Jessener Kirche dieses Altarbild in Gedenken an ihre mit zehn Jahren verstorbene Tochter. Der damalige Oberpfarrer Ludwig Hosch und der Gemeindekirchenrat fassten am 10. Juni 1906 den Beschluss: „Neubau des Altares und Verwendung der bisherigen Altar-Rückwand zur Zierde der Wandfläche zwischen Kanzel und Fenster im Altarraum, sowie Zuschuss zu den Kosten der Kirchengemeinde findet einstimmige Annahme.“ Am Ostersonntag 1906 wird das Bild der Gemeinde im Gottesdienst übergeben. Mitte Oktober 1906 war der komplette Altar fertig aufgestellt. Die Tischlerarbeiten wurden in der Werkstatt R. Hasses aus Jessen ausgeführt. Vergoldet wurde in Berlin. Danach wurden Ansichtspostkarten angefertigt und verkauft. Der Ertrag aus dem Verkauf dieser Karten kam der Kirche und den Armen der Stadt zugute. Fast 50 Jahre prägt und schmückt das Osterbild den kirchlichen Raum.

Mit der Kirchenrenovierung von 1950/51 wird es von seinem angestammten Platz verdrängt, da, so der damalige Superintendent Schlemmer, „der Zeitgeschmack von 1905 die beiden Kriege eben doch nicht überdauert hatte.“ So hing es dann noch einige Jahre ohne Altar-Umrahmung an der Südwand des Ostchores. In den sechziger Jahren wurde es dann unsachgemäß zusammengerollt und fristete danach ein Dasein in der Versenkung.

Durch die sachfremde Lagerung sind alle 30 cm Farbbrüche entstanden, die sich in weißen Fehlstellen über das ganze Bild verteilen (siehe Bild oben).

Über die Komposition und Darstellung des Bildes lässt sich sicher trefflich streiten. Dennoch hat dieses Bild eine hohe theologische und seelsorgerliche Bedeutung. Dargestellt ist die Auferstehung Jesu. Die Auferstehung ist die Mitte unserer Botschaft. Christus hat den Tod überwunden und das zeigt mit aller Kraft dieses Bild: „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist den Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? ... Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!“ (1. Korinther 15, 55.57) Die seelsorgerliche Stärke des Osterbildes ist in der Entstehungsgeschichte zu finden. Eine um ihr Kind trauernde Familie sieht Trost und Hoffnung in Jesus Christus. Sichtbares Zeichen dessen wurde der Altar in der St. Nikolai Kirche. Durch die hohe Kindersterblichkeit hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Mütter und Väter ihre Kinder zu beklagen, was in den Kirchenbüchern eindrücklich belegt ist. Wer ein Kind verloren hatte, wusste sich unter dem Altarbild gut aufgehoben. Auch der damalige Oberpfarrer Hosch musste seine beiden Kinder hergeben. Aber nicht nur für die trauernden Menschen stand das Ölgemälde in der Kirche. Die einladende Geste des Heilandes sagt zu allen, die auf dieses Bild schauen: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Markus 28,20)

Der Gemeindekirchenrat hat 2005 beschlossen, dieses Bild über Spendengelder wieder restaurieren zu lassen. 2006 wurden die Restaurierungsarbeiten abgeschlossen. Einen massiver Bilderrahmen, reich an Schnitzereien, spendete Werner Thiele aus Jessen. Im Gottesdienst zum Schul- und Heimatfest wurde das Bild auf der Nordempore der Kirche feierlich wieder eingeweiht.

Restaurierung des Osterbildes 2006

Zum Künstler des Bildes, Artur Daenewald (1878-1917)
1878 wurde Artur Daenewald in Altona geboren. In seiner Heimatstadt Berlin studierte er Malerei und Graphik. Schüler war er von Prof. Woldemar Friedrich. Friedrich zählte zu den führenden Illustratoren seiner Epoche. Neben der Illustration war sein zweites Hauptschaffensfeld die Monumental-Malerei. Eine seiner herausragenden Arbeiten war das Deckengemälde des Bankett-Saals im Hotel Adlon in Berlin. Gäste aus aller Welt bestaunten und bewunderten dieses bravourös gemachte Plafondgemälde des deutschen Künstlers. Auch Artur Daenewald führte ein Wandgemälde im Festsaal des Hotels Adlon aus (1906/1907). Leider sind die Kunstwerke im Hotel Adlon im 2. Weltkrieg zerstört worden.
Meisterschüler wurde A. Daenewald bei dem Maler und Graphiker Prof. Arthur Kampf. Auch er war ein Meister der Monumentalmalerei. 1899 wurde Kampf an die Berliner Akademie der Künste als Vorsteher eines Meisterateliers für Figurenmalerei berufen. In diesem Atelier lernte und arbeitete auch Artur Daenewald. 1907 wurde Kampf Präsident der Akademie. 1915 bis 1925 war Kampf Direktor der Hochschule für bildende Kunst in Charlottenburg.
Sicher wäre aus Artur Daenewald auch ein bekannter Künstler geworden. Seine künstlerische Mitarbeit im Hotel Adlon zeugt von seinem besonderen Talent. Der 1. Weltkrieg brach diese Künstler Karriere aber je ab. Im Mai 1917 fiel A. Daenewald an der Westfront.
Erhalten ist sein Monumentalgemälde der Auferstehung Jesu in der Jessener Kirche. Es ist ein typisches Monumentalbild aus der Schule Friedrichs und Kampfs. Die biblische Komposition ist bemerkenswert. In der Ausführung betont Daenewald die Linie, aus welcher starke Bewegungsimpressionen ausgehen. Im Blick auf die Monumental-Malerei des frühen 20. Jahrhunderts ist das Osterbild von hohem künstlerischen Wert und ein Zeitzeugnis dieser besonderen Epoche.
Dank sei an dieser Stelle noch einmal allen gesagt, die an den Wert des Bildes geglaubt haben und die so zur Erhaltung dieses doch einzigartigen Kunstwerkes beigetragen haben. Danke! Pfr. T. Bernhardt
(Quellen: Saur allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 23, Bd. 45, München, Leipzig 1999/2005; Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Bd. 19, Leipzig 1926;
Berlin und seine Bauten, Teil VIII, Bd. B, Gastgewerbe, Berlin, München, Düsseldorf 1980) 


Werner Thiele bei der Arbeit


Zusammenbau des gewaltigen Rahmens in der Kirche


Restaurator Roland Flachmann bei der Arbeit


Kunstschüler des Gymnasiums Jessen zu Besuch


Das restaurierte Bild


Gut vier Wochen hat der Restaurator Roland Flachmann aus Dresden benötigt, um das Bild im alten Glanz wieder erscheinen zu lassen. Viele Interessierte sahen dem Künstler bei der Arbeit zu. Im ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung des Schul- und Heimatfestes wurde das Bild feierlich  auf der Nordempore der Kirche eingeweiht. Der große Rahmen aus Lindenholz, reich mit Schnitzereien verziert, ist in der Werkstatt von Werner Thiele aus Jessen entstanden. Werner Thiele spendete den Rahmen der Kirchengemeide. Über 500 Arbeitsstunden stecken in diesem Kunstwerk aus Holz. Spenden in Höhe von über 7.000,- € sind für die Restaurierung eingegangen.

Karl Lamprecht - Historiker aus Jessen

GedenktafelGedenktafel Beschreibung

Mutter LamprechtsMutter Lamprechts Bechreibung

Vater LamprechtsVater Lamprechts Bechreibung

Am 25. Februar 1856 wurde Karl Lamprecht als Sohn des damaligen Oberpfarrers Carl Nathanael Lamprecht in Jessen an der Elster geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Wittenberg und der Landesschule Pforta (1867-1874) studierte er Geschichte, Nationalökonomie und Kunstgeschichte (1874-1879). 1881 gründete er die „Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde“, wurde 1890 Professor für Geschichte in Marburg und ein Jahr später Professor in Leipzig. 1906 legte er den Grundstein des Seminars für Landesgeschichte und Siedlungskunde und 1909 des Instituts für Kultur- und Universalgeschichte. Von 1910 bis 1911 war er als Rektor der Universität Leipzig in der Studienreform tätig. Am 10. Mai 1915 starb Karl Lamprecht im Alter von 59 Jahren in Leipzig und fand in Schulpforta seine letzte Ruhe.

Sein bedeutendstes Werk ist seine umfangreiche „Deutsche Geschichte“ (1891-1909). Lamprecht betont die Bedeutung der Kulturgeschichte, der materiellen Faktoren und Gruppen innerhalb der Geschichte. So nimmt auch die Völkerpsychologie Einfluss auf sein Geschichtsverständnis. Es kommt Lamprecht nicht darauf an, zu zeigen, wie es eigentlich gewesen ist, sondern wie es geworden sei. Für Jessen sind seine „Kindheitserinnerungen“ von großer Bedeutung.

Wer den Menschen Karl Lamprecht näher kennen lernen möchte, findet in seinen „Kindheitserinnerungen“, welche er kurz vor seinem Tode niedergeschrieben hat, die wunderbare und einfühlsame Quelle eines besonderen Menschen. Die Erinnerungen dieses Mannes an seine Kindheit sind voller Schönheit, Liebe und Romantik. Mal schmunzelt man beim Lesen, mal wird man sehr nachdenklich, am Ende des Buches ist man tief gerührt. In den Kindheitserinnerungen macht Lamprecht deutlich, wo seine Wurzeln herkommen und was ihm wichtig war und auch wichtig geblieben ist. Auch hier bleibt er seinem Geschichtsverständnis treu, nicht allein zu zeigen wie es war, sondern wie er und die Menschen um ihn herum geworden sind. Zuerst beschreibt er seine Heimat, „das Städtlein Jessen“. Vom Schul- und Kinderfest (Heimatfest), welches auch heute noch gefeiert wird, weiß er in den schönsten Bildern zu erzählen. Diese herrlichen Festtage bleiben ihm unvergessen. Er vergleicht dabei „diese Festfreude“ entfernt mit der Stimmung der Wagnerschen Meistersinger. Gern erinnert er sich an die Winzer in Jessen, die von „altersher anerkannte Träger musikalischer Begabung und heiteren Frohsinns“ waren und nicht geringen Teil an der besonderen Lebenskraft und Lebensart Jessens haben. Viele Seiten widmet er der schönen Natur rund um Jessen und den Menschen, die an lauen Sommertagen vor der Kirche unter dem Sauerkirschenbaum saßen. Den meisten Platz seiner Erinnerungen nehmen die Eltern ein, besonders der Vater. „Ich war Pastors Karl, im Komperativ: Karlchen, und im Superlativ: Thalichen und habe für meine Person lange nicht gewusst, dass ich Lamprecht hieß“. Seine Eltern hat er geliebt . Mit besonderer Wärme erzählt er von der Mutter und mit Stolz von seinem Vater. Nicht ohne Grund hat er seine „Deutsche Geschichte“ „Dem Andenken meines lieben Vaters“ gewidmet. Der Schlusssatz in seinen Kindheitserinnerungen zeugt von tiefer Heimatliebe und Heimatverbundenheit, einem nicht leugnen können der eigenen Wurzeln. Er sieht sich noch einmal als junger Gymnasiast in Wittenberg: „Ach, was waren das alles für Dinge, wo war meine liebe Heimat geblieben, wie lief ich die ersten Tage, die ich allein war, den Weg nach Jessen hinaus bis zu dem alten Wittenberger Friedhof und ging auf dessen Höhen und stand neben der schönen glatten Grabplatte von Magdalenchen Luther, von der aus man die Straße sehr weit übersehen konnte, und weinte. (Karl Lamprecht, Kindheitserinnerungen, Jessen 1938)

An seinem Geburtshaus, das Pfarrhaus auf dem Kirchplatz 7 in Jessen, wurde zu seinem 60. Geburtstag eine Gedenktafel enthüllt. Im Jahr 2006 feierte Jessen seinen 150. Geburtstag.